Wir brauchen das Wahlalter ab 14 Jahren

Die junge Generation wird nicht gehört. Das ist ein Drama für das ganze Land und dessen Zukunft.

m Donnerstag hat der Bundestag die von den Koalitionsparteien ausgehandelte Reform des Wahlrechts beschlossen. Sie offenbart schonungslos die Angst der Regierungsfraktionen, sich auf mehr als einen Minimalkompromiss festzulegen. Im Kern ist dieser Politikstil mutlos – und diese Mutlosigkeit zeigt sich auch in der Frage, die von den Koalitionären totgeschwiegen wird: Warum dürfen junge Menschen in Deutschland noch immer nicht wählen?

Die junge Generation wird nicht gehört. Alle Zukunftsfragen kommen zu kurz, weil die Zukunft in unserem politischen System die leiseste Stimme hat. Das ist ein Drama, denn die Welt brennt. Die Bundestagswahl 2021 wird eine Schicksalswahl sein und darüber entscheiden, ob wir es schaffen, unsere Zukunft zu retten. Die Absenkung des Wahlalters wird kein Wundermittel sein. Und doch müssen wir sie als ersten und wichtigen Schritt in Richtung Generationengerechtigkeit gehen.

Dass der Politik die Zukunftsorientierung fehlt, zeigt sich deutlich an der Covid-19-Pandemie: Statt über die Klimakrise und den Erhalt unserer Lebensgrundlage in 60 Jahren zu diskutieren, dreht sich unsere Debatte um Konjunkturprognosen für die nächsten sechs Monate. Das ist unfair und ungerecht gegenüber jungen Menschen – und lebensgefährlich für kommende Generationen.

Dieses Ungleichgewicht ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis eines politischen Konstruktes, das junge Menschen und ihre Interessen systematisch ausschließt. Nur 15 Prozent der Wahlberechtigten sind jünger als 30 Jahre, während 36 Prozent über 60 Jahre alt sind. Millionen Menschen werden in Deutschland aufgrund ihres Alters pauschal vom Wahlrecht ausgeschlossen. Lediglich drei der 709 Bundestagsabgeordneten sind nach 1990 geboren. Um die Übermacht der Alten zu brechen, müssen wir das System dringend vom Kopf auf die Füße stellen.

Klar ist: Nicht das Wahlrecht bedarf einer Begründung – zu begründen ist, warum einer gesamten Bevölkerungsgruppe eben dieses politische Grundrecht entzogen wird. Es wäre absurd, die Meinungsfreiheit junger Menschen mit dem Argument einzuschränken, ihnen fehle das „nötige Verständnis politischer Prozesse“. Und doch geschieht beim Wahlrecht genau das, weil es politisch opportun erscheint.

Mit zweierlei Maß wird auch in anderer Hinsicht gemessen. Schließlich prüft auch niemand das Verständnis politischer Prozesse von wahlberechtigen Senior*innen jenseits der 80.

Wenn man das Wahlrecht als Grundrecht ernst nimmt, dann verbietet es sich, daran Kriterien wie politisches Interesse, Bildung oder einen vermeintlichen „Reifegrad“ zu knüpfen. Denn Kinder und Jugendliche sind keine unfertigen Erwachsenen, deren Stimme weniger wert ist. Sie sind vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft mit eigenen, distinkten Interessen, die man nicht mit einem kurzen Verweis auf ihre Unmündigkeit abweisen kann.

Junge Aktivist*innen von Fridays for Future, Sea-Watch und der Generationen Stiftung machen genau das, was man sich von mündigen politischen Subjekten erhofft: Sie interessieren sich für Politik, sie machen gewaltfrei von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch, sie artikulieren ihre politischen Interessen auf allen Ebenen. Mit ihrem Engagement für eine zukunftsfähige Politik kommen sie dem Idealbild aufgeklärter Bürger*innen sehr nahe – das gleiche lässt sich von Querdenken und Pegida schwerlich behaupten.

Es wird immer wieder eine Legitimationskrise der Demokratie angemahnt. Ist es dann nicht in unserem Interesse, Menschen so früh wie möglich in demokratische Prozesse einzubinden?

Wir müssen Chancengleichheit zwischen den Generationen schaffen und dürfen uns dem Wahlrecht für junge Menschen nicht weiter verschließen. Diese Forderung ist nicht radikal, sondern konsequent. Auch eine Absenkung auf 16 Jahre hätte nur kosmetischen Charakter. Spätestens ab 14 muss eine automatische Eintragung ins Wahlverzeichnis erfolgen und auch darunter müssen sich junge Menschen auf Wunsch eintragen lassen können.

Eine Alternative wäre es, das Wahlrecht nicht nur in den ersten 18 Jahren, sondern auch in den letzten 18 Jahren eines Lebens zu entziehen. Ob das den vehementen Gegner*innen einer Absenkung des Wahlalters lieber wäre?

Dieser Kommentar erschien am 10. Oktober 2020 in der Berliner Zeitung und ist hier abrufbar.

Foto: William Perugini/imago images

Comments (1)

Ich kann eure Forderungen total und umfänglich unterstützen, nur was kann man damit bewegen? Wie ihr selbst schon in euren Forderungen andeutet und ich denke was ihr damit in dem letzten Jahr für Erfahrungen bei Politik und Wirtschaftsverbänden gemacht habt, hat euch sicher deutlich gezeigt wo es nach denen lang geht! Es gibt keinen Zweifel mehr dass die Wirtschafts-/ Finanzlobby das “Geschehen” nicht nur hier in Deutschland bestimmt! Die Politik und die Politiker*innen lassen sich von denen erpressen, vorführen., wie auch immer das man bezeichnen mag! Von der Klimakrise kann keiner der Verantwortlichen ausgenommen werden , auch nicht das Deutsche Volk insgesamt! Es gibt ein paar wenige, wie bspw. Ihr die sich um eine dringende Änderung, nein um einen totalen Umbruch die wirtschafts-/ Politik/Finanz-Weise hier und weltweit einsetzten! Es geht nicht ohne radikales Umsteuern ,hin zu einer Gemeinwohl-Ökonomie und einer Ökologie die den Namen auch verdient! Ich bin überzeugt, dass dies mit der bisherigen Politiker -und Wirtschafts-Kaste nicht zu machen ist! Alle Versprechungen dieser in Bezug auf einen Wandel in die Ökologisch , soziale Marktwirtschaft, habe sich bis dato als Schwindel oder gar Lüge herausgestellt Greenwashing wo man hinsieht von der Regierung in Berlin, Stuttgart, Kreise bis hin zu den Kommunen wenn wir das nicht stoppen können….na dann… In BaWü gibt es im März 2021 Wahlen, eine Gelegenheit, die anzumahnen die es bisher versäumt haben was wirklich nachhaltiges in die Wege zu leiten, was zu tun und nicht nur Sonntagsreden zu halten! Da darf keine politische Partei ausgenommen werden die schon hätte beweisen müssen, dass sie wirklich ehrlich und vertrauensvoll mit denen umgehen die auf der Seite der Klimaschützer stehen! Grün ist eben nicht immer grün, manchmal wenn´s wichtig wird geht die Farbe ganz schnell ab! auch kann ich nicht glauben, wie so einige, dass man diesen “Kampf” außerhalb der Politik der Wissenschaft, Schulen, Universitäten und auch der Wirtschaft gewinnen können! Genau dort und nur dort, müssen die Weichen dringend neu gestellt werden! Die Bildung muss als erstes in einen Gemeinwohlökonomische Kontext gestellt werden, was so viel heißt dass dort unsere Nachkommen dafür ausgebildet werden, die in diesem Land und weltweit einmal den “Eliten” in Politik und Wirtschaft angehören werden Aber auch das jetzt bestimmende System der rein kapitalgesteuerten Wirtschaft- Finanz- Politik, sowie “Verankerung” dieses Systems in den Köpfen großer Teile der Gesellschaft, sollte schnellst möglich verändert werden! Das ist die Aufgabe für alle die schon erkannt haben das es so nicht weitergehen kann, nicht mehr und nicht weniger! Eine wahrlich schwere “Mammutherausforderung” ja, es geht um alles, auch und nicht zuletzt, um das Überleben der Menschheit!

Leave a comment